Texte haben keinen Preis

Niedliches Faultier auf dem Texterstrich

Ich bin Diplom-Volkswirtin mit Schwerpunkt Marketing. Seit 2007 arbeite ich als selbstständige Texterin und als Honorar-Coach für Texter. Außerdem biete ich Texttraining und Online-Marketing-Beratung für Texter und Gründer. In Planung sind Workshops für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gegründet haben.

In diesem Beitrag schreibe ich zunächst über meinen Weg und meine Meinung über Texterhonorare – unabhängig von den vorgeschlagenen Fragen der Content-Cure-Blogparade „Endstation Texterstrich?“. Die Impulsfragen beantworte ich am Schluss.

So hat sich mein Honorar entwickelt

Mein Ziel war und ist: für immer mehr Geld immer weniger arbeiten. Warum das logisch und auch für die Kunden von Vorteil ist, erkläre ich später. Das berühmte „selbst“ und „ständig“ hat es bei mir nie gegeben. Das halte ich für Selbstausbeutung und für ineffizient. Effizient arbeiten kann man nur für eine bestimmte Zeit.

Meinen Umsatz habe ich seit der Gründung Anfang 2007 in den ersten 3 Jahren jeweils verdoppelt und den Stundensatz seit 2007 vervielfacht. Ein Preis-Beispiel: Der erste Text für einen Werbebrief kostete im Jahr 2007 rund 30 Euro netto. Heute im Jahr 2021 liegt der Preis für einen Werbebrief bei mindestens 380 Euro netto. Mein Stundensatz ist seit ein paar Jahren konstant im oberen Bereich.

Wie viel kostet Text?

Seit einigen Jahren coache ich Texter und Gründer. Die häufigste Frage im Coaching von Textern und Texterinnen lautet: „Woher bekomme ich neue Kunden?“ Die zweithäufigste Frage lautet: „Welche Preise kann ich nehmen?“

Die Preis-Frage habe ich mir am Anfang meiner Selbstständigkeit natürlich auch gestellt. Allerdings aus der komfortablen Situation heraus, anfangs noch Unterhalt von meinem geschiedenen Mann zu bekommen. Ich konnte mich vom Beginn der Selbstständigkeit auf die Kinder und den Job konzentrieren und musste mir keine Sorgen um meine Existenz machen.

Preisfindung für Texter – der übliche Weg

Ein übliches Vorgehen ist es, alle Ausgaben aufzulisten und durch die verfügbaren Stunden zu teilen. Also Miete + Auto + Kleidung + Versicherungen + …

Heraus kommt ein Honorarsatz pro Stunde. Dieses Vorgehen finde ich unlogisch. Warum sollen meine Auftraggeber für den Unterhalt eines teuren Autos oder einer riesigen Wohnung aufkommen? Hängt der Wert meiner Arbeit von meinem Konsum, meinen Ansprüchen oder der Anzahl meiner Kinder ab? Nein!

Doch wovon hängt ein Preis dann ab? Wie konnte ich den Preis meiner Arbeit so gestalten, dass er für meine Auftraggeber fair ist und auch mich zufriedenstellt? Außer mit der üblichen Methode kann man sein Honorar auch anders festlegen. Mehr dazu im übernächsten Abschnitt. Zunächst ein paar Gedanken über den Wert von Texten, welche Art von Leistung „Texten“ überhaupt ist und was Texter können müssen.

Zwei begeisterte Kunden lesen Texte

Einzigartige Werke haben keinen Preis

Text sehe ich als Hybrid von Dienstleistung und künstlerischer Leistung. Wobei der Service drumherum, also „wie behandle ich meine Kunden“ einen großen Anteil an der gesamten Performance hat.

Deine Texte sind künstlerisch, weil sie einzigartig sind und viel von dir enthalten. Kein anderer würde zum selben Auftrag denselben Text abliefern. Jeder Texter hat ein anderes Wissen, einen anderen aktiven Wortschatz, eine andere Art zu schreiben.

Kunstwerke, Münzen, Briefmarken, Antiquitäten und andere rare Güter kosten so viel, wie ein Käufer bereit ist, zu zahlen. Analog dazu haben auch Texte keinen Preis. Sie haben einen Nutzen. Aus diesem Nutzen ergibt sich der Wert für deinen Kunden. Je höher der Nutzen deines Textes ist, umso mehr ist der Kunde bereit zu zahlen. Nun liegt es an euch, einen vertretbaren Preis auszuhandeln.

Auch, wie du mit den Kunden umgehst, beeinflusst den Wert deiner Arbeit. Das ist einer der Gründe, warum Texterbörsen für mich in einem anderen Universum stattfinden. Später verrate ich dir mehr darüber, ob Texterbörsen für mich die Bösen sind, die die Texter-Preise drücken.

Was Texter können müssen

Wenn wir über Texterhonorare reden, müssen wir auch über Fähigkeiten sprechen. Ein paar Wörter aneinanderreihen, das können viele. Einen Text schreiben, der verkauft, das können nur wenige. Kunden sollten für das bezahlen, was sie bekommen. Darum kann man das Honorar nicht isoliert betrachten. Eine Landingpage für ein hochpreisiges Produkt mit vielen potenziellen Kunden, die „rankt wie Sau“ (O-Ton Kunde), darf auch etwas mehr kosten.

Texter sollten ein gutes Sprachgefühl und einen großen aktiven Wortschatz haben. Viele Hobbytexter schwafeln ohne jeglichen Esprit, scheitern dabei daran, „Wort“ und „Wörter“ oder „scheinbar“ und „anscheinend“ auseinanderzuhalten.

Wer Verkaufstexte schreibt, braucht:

  • Empathie
  • Sprachgefühl
  • großen aktiven Wortschatz
  • Psychologie: zum Beispiel, wenn man ein ähnliches Produkt für verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Kaufmotiven beschreibt
  • Weltwissen
  • Esprit
  • Fantasie, weil man oft über Gegenstände schreibt, die man nie in Händen hatte
  • eine schnelle Auffassungsgabe, wenn man in einem 60 Minuten-Gespräch eine komplette Industrie-4.0-Fabrik verstehen will

Gute Texter können zu Keywords beraten, sie kennen die wichtigen Regeln für suchmaschinenoptimiertes Texten, sie finden heraus, welche Fragen sich Kunden zu einem Produkt stellen.

Texter sollten auch mit Kunden umgehen können, die oft gar nicht wissen, was sie besonders gut machen oder die zu bescheiden sind, es nach außen zu tragen. Starre Briefing-Fragebögen helfen da nicht weiter.

Außerdem sollten wir mit knappen Briefings klarkommen. Beispiel: Schreibe eine Landingpage zum Thema private Krankenversicherung mit dem Fokus-Keyword xy. Dann reicht das, wenn der Kunde keine weiteren Wünsche hat.

Wie böse sind Texterbörsen?

Texterbörsen kurz erklärt: Bei Texter- oder Textbörsen kannst du mit dem Schreiben von Texten zum Beispiel für Shops Geld verdienen. Als Auftraggeber kannst du in der Texterbörse billig Texte einkaufen. Die Auftraggeber nennen Eckdaten und das Honorar. Auf diese Aufträge können sich die Texterinnen und Texter bewerben.

Es gibt in der Regel keinen direkten Kontakt zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Die Textbörse verdient an jedem Auftrag prozentual. Da die Honorare in Texterbörsen in der Regel pro Wort berechnet werden, und weil sich die Wortpreise im Cent-Bereich bewegen, ist das Wort „Texterbörse“ für viele meiner Texterkolleginnen und -kollegen ein Reizwort.

Ich habe von Anfang an ein anderes Verhältnis zu Texterbörsen. Für mich ist das eine Parallelwelt – also eine Welt ohne Berührungspunkte mit meiner Arbeitswelt. Diese Portale bedienen einen anderen Markt. Wenn dort Marktteilnehmer zusammenfinden, ist offensichtlich ein Bedarf da.

Ab und zu entdeckt man in solchen Texterbörsen sogar echte Talente. Das sind oft Kollegen und Kolleginnen, die ihre Leistungen selbst nicht gut vermarkten können. Oder solche, die sich auf Texterbörsen ausprobieren, bevor sie in eine Selbstständigkeit starten oder Texterinnen und Texter, die in auftragsarmen Zeiten wenigstens ein paar Euro verdienen wollen.

Beim Ausprobieren ist es wichtig, den Absprung zu schaffen in eine unabhängige Selbstständigkeit. Freie Zeiten würde ich lieber für eigene Projekte nutzen: Blogbeiträge und Gastartikel schreiben, die Webseite verbessern, Landingpages für eigene Leistungen texten, Social-Media-Präsenzen optimieren und mein Netzwerk ausbauen.

Meiner Meinung nach sind Texterbörsen nicht verantwortlich für eine Honorarstruktur bei den eigenständigen Textern aus dem Paralleluniversum.

Wie ich meine Preise für Texte festlege

Wenn eine Anfrage hereinkommt, überlege ich, wie viel Zeit ich für den Auftrag benötigen würde. Dabei rechne ich Zeiten für Recherche, längere Briefing-Telefonate und für das Handling drumherum mit ein. Bei Kunden, von denen ich zum Beispiel weiß, dass sie sich Ihrer eigenen Meinung oft nicht ganz sicher sind, plane ich einen Zuschlag für den Mehraufwand ein.

Den geschätzten Zeitaufwand in Stunden multipliziere ich mit meinem aktuellen Stundensatz. Kleinere, klar umrissene Aufträge wie ein Werbebrief haben einen pauschalen Preis. Umfangreiche Projekte biete ich von-bis an. Wobei der obere Wert die Höchstgrenze ist, damit Kunden und Agenturkunden ihre Budgets zuverlässig planen können. Fertig ist das Angebot!

Den Stundensatz erhöhe ich in der Regel jedes Jahr um 10 Euro. Das neue Honorar nach dem Jahreswechsel kündige ich bei Stammkunden ab August auf den Rechnungen an. Die regelmäßige Erhöhung meines Stundensatzes hat zwei gute Gründe:

  1. die Inflation und
  2. mehr Erfahrung, mehr Fachwissen und effizienteres Arbeiten.

Darum kann ich mit weniger Arbeit mehr verdienen. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, fokussierter zu arbeiten. Ich habe Wissen über fast jede Branche und über unterschiedlichste Produkte und Dienstleistungen angesammelt. Das bringt einiges an Vorwissen bei neuen Aufträgen und ich kann Kunden durch den Vergleich mit ähnlichen Unternehmen gezielter fragen, was das Besondere an ihrem Unternehmen ist. Dadurch sparen meine Kunden Zeit, denn sie müssen weniger erklären. Außerdem bekommen die Kunden gehaltvolle und leicht verständliche Texte, selbst zu komplexen Themen.

Eine Gruppe von drei Personen betrachten erfreut einen Brief

3 Tipps, wie du zu einem leistungsgerechten Honorar kommst

Passe deine Preise regelmäßig an: Im Laufe der Zeit wirst du immer besser bei dem, was du tust, denn:

  • du bildest dich weiter,
  • du weißt immer mehr über die Themen deiner Kunden,
  • du arbeitest insgesamt effizienter.

Davon profitieren auch deine Kunden. Dein Wissenszuwachs und deine Erfahrungen haben ihren Preis. Dein Honorar kannst du zum Beispiel jedes Jahr um 10 Euro oder um 5 % anpassen. Weise Stammkunden in der zweiten Jahreshälfte auf die Preissteigerung hin. Das kann zum Beispiel auf der Rechnung sein.

Sprich mit anderen Dienstleistern: Die Leistungen von Textern, Grafikern und Webdesignern haben für die Kunden einen ähnlichen Wert. Mit anderen Textern kannst du über Preise für die einzelnen Textarten sprechen. Besonders bei Slogans oder der Entwicklung von Firmennamen können dir diese Gespräche wertvolle Anhaltspunkte liefern. Für Slogans oder für Naming werden in Agenturen hohe Summen bezahlt. Da ist die Spannweite besonders groß, weil diese Werke das Unternehmen lange begleiten und feste Bestandteile des Corporate Images sind. Webtexte, Mailingtexte oder Texte für Broschüren werden begrenzt genutzt und sie sind schneller und einfacher austauschbar. Doch auch hierüber lohnt sich ein Austausch.

Zusätzliche Nutzen kosten zusätzliches Honorar: Nutzt du bestimmte Tools für den Text eines Kunden? Wie zum Beispiel karlsCORE? Hast du eine Fortbildung gemacht, die deine Arbeit bei dem Auftrag aufwertet? Bist du besonders breit und tief über ein Thema informiert? Hast du Bücher oder Artikel dazu gelesen? - All das kann einen Honorar-Aufschlag begründen. Dann berechnest du dem Kunden nachträglich einen Aufwand, der ihm jetzt zugutekommt. Oder eben die regelmäßige Nutzung hilfreicher Tools.

Blogparade "Endstation Texterstrich?" – Fragen und Antworten

Warum habt ihr euch für das professionelle Texten entschieden?

Ich habe für die Schülerzeitung satirische Texte geschrieben und hatte schon in meiner Jugend die Gabe, Kompliziertes leicht verständlich zu erklären. Allerdings wusste ich lange nicht, dass ich mit diesem Talent Geld verdienen kann.

Ist Texten euer Traumjob? Und wenn ja, warum?

Ja!

  1. Weil ich es kann. Ich mache ungern Dinge, bei denen ich unterdurchschnittlich bin oder zu denen ich keine Lust habe.
  2. Ich liebe es, zum Erfolg von Unternehmen beizutragen. Das weckt meinen Ehrgeiz.
  3. Da ich für alle Branchen texte und mich im Online Marketing, in Psychologie und in der Suchmaschinenoptimierung ständig weiterbilde, darf ich immer wieder dazulernen. Das und Gespräche mit Geschäftspartnern begeistern mich jeden Tag.
  4. Weil dieser Job mich dankbar sein lässt. Dankbarkeit schafft Gelassenheit.

Last but not least: Weil ich mit dem Job immer für meine Kinder da sein konnte und auch heute noch alles stehen und liegen lassen kann, wenn sie mich brauchen.

Worauf kommt es aus eurer Sicht beim Texten für Unternehmen an?

Unternehmen brauchen nicht nur aneinandergereihte Wörter. Sie brauchen auch den Blick auf das Ganze. Mit einer unprofessionell wirkenden Webseite sollte man keinen Werbebrief verschicken. Ohne tolle Landingpage gibt es keinen Erfolg mit Google-Anzeigen. Und wie oben erwähnt, gehören zum Texten Sprachgefühl, Allgemeinbildung und Auffassungsgabe.

Inwiefern übernehmen Texte im Content-Marketing neue, größere Aufgaben?

Texte ohne Nutzen sind nutzlose Texte. Lange Texte werden gelesen, wenn sie hilfreich sind und etwas für den Leser oder die Leserin tun. Menschen helfen, ihnen Lösungen bieten - das ist ein immerwährender Trend.

Sind automatisiert erstellte Texte bereits eine große Konkurrenz?

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Welche guten und schlechten beruflichen Erfahrungen habt ihr gemacht?

Zu 98 % gute Erfahrungen, weil mir die Arbeit fast immer Spaß macht. Durch meinen Außenauftritt ziehe ich die richtigen Kunden an. Nur drei Mal in 14 Jahren passten Auftraggeber und ich nicht zusammen. Dann schütze ich meinen Seelenfrieden und trenne mich lieber. Was ich überhaupt nicht leiden kann, weil es unfair ist: Wenn Kunden nicht bezahlen und auf Erinnerungen nicht reagieren.

Aus welchen Fehlern habt ihr am meisten gelernt?

Selbst, wenn jemand anderes den Fehler gemacht hat, kann die Ursache ganz oder teilweise bei mir liegen. Also überlege ich, was ich besser machen kann, damit dieser Fehler nicht wieder auftritt. Ein Beispiel: Sobald etwas droht, aus dem Ruder zu laufen, ist ein Telefongespräch besser als eine E-Mail.

Was tut ihr, um euren Preis im Markt durchzusetzen?

Den Preis sagen.

Anhand welcher KPIs rechtfertigt ihr vor Kunden euer Honorar?

Ich mache fast alles intuitiv. Im Job, bei der Kindererziehung, beim Bogenschießen und beim Kochen. Mit Zahlen und starren Vorgängen beschäftige ich mich nur, wenn es sein muss.

Wie schätzt ihr die Marktsituation für Texterinnen und Texter ein?

Ich denke, dass 20 % der Texterinnen und Texter überragend sind. Wenn diese Kolleginnen und Kollegen auch Dinge wie Außendarstellung und Umgang mit Kunden richtig machen, dann sind deren Aussichten brillant. Wer durchschnittlich arbeitet, kann in seinem oder ihrem Segment durchaus passende Kunden finden. Wer sich nicht gut selbst präsentieren kann, wird eher abhängig sein von Texterbörsen oder einigen wenigen großen Auftraggebern. Wobei bei großen Kunden immer die Gefahr besteht, dass sie sich für das Geld eines Tages für einen Inhouse-Texter entscheiden.

Brauchen vor allem freiberufliche Texterinnen und Texter mehr Lobby?

Wer so etwas mag, klar. Als freiheitsliebender Nichtvereinsmensch brauche ich das nicht.

Die Gretchenfrage 2021: Gendern oder nicht?

Für längere Texte habe ich noch keine lesefreundliche Lösung gefunden. Darum hier mein Hinweis: Ja, ich meine dich! Für eine menschlich angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit sind andere Dinge wichtiger als die Anzahl von Chromosomen, Farbpigmente in Haut und Haaren oder woher du kommst.